"Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen auf ihnen zu surfen."
Zwänge und Tics lassen sich mit verhaltenstherapeutischen Methoden erfolgreich behandeln
Zwangsstörungen sind charakterisiert durch wiederkehrende, anhaltende, unangenehme oder beängstigende Gedanken (Zwangsgedanken) die häufig zu dem inneren Impuls führen, bestimmte Handlungen (aber auch gedankliche Rituale) auszuführen (Zwangshandlungen), um die unangenehme Spannung oder Ängste zu reduzieren oder zu verhindern. Neben den Themen wie Angst bzw. Ekel vor Verschmutzungen, etwas Unangenehmes zu sagen
oder dem Ordnen und Kontrollieren von Dingen gibt es viele weitere
Zwangsthemen. Deutlich stärker schambelastet sind beispielsweise die
Sorge andere zu verletzen, jemandem Schaden zuzufügen oder Gedanken zu sexuellen oder obszönen Handlungen an sich oder anderen. Betroffene erkennen meist, dass ihre Zwangsgedanken und -handlungen eigentlich nicht logisch oder unwahrscheinlich sind, jedoch erleben sie die wiederkehrende gedankliche Beschäftigung als extrem quälend und ängstigend.
Die psychotherapeutische Behandlung von Zwängen galt bis in die 1960er Jahre als schwer bis unmöglich. Mit Etablierung der Verhaltenstherapie konnte jedoch gezeigt werden, dass Zwänge durch Exposition mit Reaktionsverhinderung ebenso gut behandelbar sind wie andere psychische Erkrankungen. Bei schweren Fällen hat sich die Kombination von Verhaltenstherapie und Psychopharmakotherapie bewährt.
Auch bei motorischen und/oder vokalen Tics (u.a. Tourette-Syndrom) und anderen Störungen der Impulskontrolle haben sich verhaltenstherapeutische Techniken als sehr wirksam erwiesen und sollten nach internationalen Leitlinien einer medikamentösen Behandlung vorgezogen werden (vgl. Practice Guideline der American Academy of Neurology 2019). Das Behandlungsprogramm "Comprehensive Behavioral Intervention" (CBIT) besteht aus ausführlicher Aufklärung über Tics, speziellen Übungen zur Verhaltensumkehr (Habit-Reversal-Training), Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsübungen und Progressiver Muskelentspannung. Trotz sehr guter Evidenz sind auch heute noch vielen Fachkräften die verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätze kaum bekannt oder es bestehen keine Erfahrungen in der Durchführung, so dass viele Patienten von deren Nutzen nicht profitieren können.